Kein Aufschwung, Deflation, Schuldenbremse

Heiner Flassbeck, Chef der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz (Unctad) schreibt in der „taz“ (25.7.2009) gegen den „die Krise ist beld zuende“ Optimismus von neoliberalem Medien-Mainstream und herrschender Politik an:

Die deutsche Wirtschaft ist ganz unten. Die Auslastung des Maschinenparks … hat ein historisch tiefes Niveau erreicht und die Tatsache, dass die Auslastung der Arbeitskraft ähnlich gering ist, wird nur durch … Kurzarbeit überdeckt. …
Es nützt auch nichts, gebannt auf die Finanzmärkte zu starren, wo die Börsen wieder auf Rekordwerte zusteuern, weil sich die Anleger einreden, der Aufstieg beginne nun endlich. Finanzmärkte haben noch nie zur Überwindung einer Rezession beigetragen, denn die Spekulationsgeschäfte der Finanzmarktzocker haben mit der Realwirtschaft nur wenig zu tun – und schaden ihr höchstens. …
Woher sollte die Kraft für einen Aufschwung der deutschen Wirtschaft im nächsten Jahr kommen? Sicher nicht von den Unternehmen. … Volle Lager und stillstehende moderne Maschinen haben noch keinen Unternehmer zum Investieren angeregt, selbst wenn die Zinsen niedrig sind.
Der private Verbrauch ist ebenfalls keine Stütze für die Wirtschaft. Gewaltige Kurzarbeit und drohende Arbeitslosigkeit sind nicht der Stoff, aus dem Konsumräusche gemacht sind. Zudem werden in vielen Unternehmen … Löhne gekürzt, um die Verluste klein zu halten. Das schwächt die Nachfrage weiter, weil die Arbeitnehmer nun weniger Geld zur Verfügung haben.
Es kommt ein … Teufelskreis in Gang: Um ihre vollen Lager zu leeren, senken viele Unternehmen die Preise – was bei Konsumenten keinen Kaufrausch auslöst. Stattdessen warten sie darauf, dass die Preise … weiter fallen. Eine solche Phase der Deflation droht jetzt der Bundesrepublik.
Bleibt also nur noch der Staat mit seinen Konjunkturpaketen … doch dieser Einsatz wird zunichte gemacht, weil Länder und Gemeinden durch die Krise unter Steuereinbußen leiden und auf Teufel komm raus sparen.
Was also tun? Wirtschaftsnahe Kreise schlagen schon wieder die berühmten „Strukturreformen“ und „Arbeitsmarktflexibilisierungen“ vor … Diese Konzepte wären jedoch kontraproduktiv, weil sie zu einer weiteren Umverteilung zulasten der unteren Einkommen führten. Damit würde die eklatante Nachfrageschwäche verschäft…
Außerdem wäre dieser Ansatz besonders abwegig, weil man diejenigen, die den Schlamassel verursacht haben, ungeschoren davonkommen ließe und die ganze Last denen aufbürdete, die mit dem Ausbruch der Krise wirklich … nichts zu tun haben.
Dass die deutsche Politik aber genau dahin zielt, zeigt die Schuldenbremse, die sie über Nacht und ohne ernsthafte Diskussion ins Grundgesetz geschrieben hat. … Der Staat ist auf absehbare Zeit der einzige Akteur, der die deutsche Wirtschaft beleben könnte. Aber durch die Schuldenbremse wird ihm jeder Handlungsspielraum genommen.
Wohin eine Schuldenbremse führen kann, zeigt sich … in Kalifornien, das seine Sozialausgaben gnadenlos kürzt, um seine Defizite herunterzufahren – obwohl dies die Wirtschaftskrise nur verschärft und die Defizite weiter in die Höhe treibt.
Die deutsche Regierung … setzt darauf, dass … der Export anzieht. Doch dieser … Trick wird nicht mehr funktionieren, weil … der starke Euro deutsche Waren teuer macht. Selbst Lohnzurückhaltung wird da nichts mehr nutzen – zumal sie nur noch weiter die Binnennachfrage schwächt. …


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