Mit dem heutigen Urteil zur Verfassungswidrigkeit der nicht nachvollziehbaren Ermittlung der Hartz IV Regelsätze (Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts) heizt das oberste deutsche Gericht unter Verweis auf die Unantastbarkeit der Menschenwürde (Artikel 1 Grundgesetz) und das Sozialstaatsgebot (Artikel 20) die Debatte um die zentrale Begründung des durch die Hartz-Gesetze geschaffenen Niedriglohn-Sektors an: Es geht um das sogenannte Lohnabstandsgebot, nach dem Hartz IV Bezieher weniger Einkommen haben sollen, als die untersten 20 Prozent der Lohnempfänger.
Angesichts des boomenden Niedriglohn-Sektors ist dieses „Lohnabstandsgebot“ schon bei den jetzigen, verfassungswidrigen Hartz IV Sätzen nicht mehr gewährleistet – nicht nur, weil immer mehr Arbeitgeber ihre Niedriglohn-Beschäftigten zwingen „ergänzendes“ Arbeitslosengeld II zu beantragen, um wenigstens auf ein Hartz IV Einkommen zu kommen. Es sind vor allem die niedrigen Löhne, die sich in vielen Branchen durchgesetzt haben, die erhebliche Teile der unteren Mittelschicht zwingen, ein Leben ganz nah am amtlichen Hartz IV Minimum zu führen – teilweise mit nur noch 20 Euro monatlich Unterschied.
Wenn die Verfassungswidrigkeit der Hartz IV Berechnung nun dazu führen sollte, dass ab 1.1.2011 insbesondere Familien mit Kindern mehr Hartz IV Geld bekommen, dann wird der Anteil der „Aufstocker“ noch einmal deutlich steigen (derzeit beziehn 6,5 Millionen Menschen in Deutschland Hartz IV Leistungen). In einem Artikel zu diesem Thema hat die „telepolis“ dazu nicht nur die statistischen Daten dazu recherchiert, sondern auch darauf hingewiesen, dass bei der ganzen Lohnabstands-Debatte die Arbeitgeber außen vor bleiben:
Dass die Arbeitgeber in der Debatte geschont werden, ist ein Leitmotiv, das sich durchzieht. Die Forderung nach höheren Löhnen kommt der Debatte um den Lohnabstand … nur mehr in kurzen Andeutungen vor. Das ist schon ein Diskurs-Sieg, wenn Gewerkschaften… mit dem Mindestlohn-Argument ausführlicher zitiert werden…:
Aus Sicht der Gewerkschaften kann der Lohnabstand nur durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns für alle Branchen wiederhergestellt werden.
Nur mehr die Bremse – damit es nicht noch weiter nach unten geht – wird erwähnt, der kausale Zusammenhang zwischen Hartz IV, den 1 Eurojobs und dem Niedriglohnsektor mit dem Lohndumping auf die Seite gewischt.
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