Falsche Schlüsse

Der Wiener Publizist Robert Misik fragt sich in der „taz“ (6.4.2010), warum die neoliberale Ideologie trotz des Desasters an den Finanzmärkten noch immer so viele Anhänger hat. Einige Zitate aus dem Leitartikel:

Es gibt viele ökonomische Frage, bei denen der normale Hausverstand spontan zu falschen Schlüssen neigt. So leuchtet schnell ein, dass höhere Löhne für ein Unternehmen zunächst einmal „Kosten“ sind… Deshalb sind viele Leute durchaus bereit, die neoliberale Propaganda zu glauben, dass höhere Mindestlöhne Jobs kosten.

Es braucht auch hier eine gewisse Abstraktionsleitung, um zu erkennen, dass höhere Mindestlöhne sich in eine stabilere Binnennachfrage übersetzen…

Weit verbreitet ist auch der Irrglaube, dass Volkswirtschaften gegeneinander konkurrieren, so wie Unternehmen das tun. Doch während ein Unternehmen ein Interesse daran haben kann, die Konkurrenz niederzukonkurrieren, ist es für eine Volkswirtschaft nicht erstrebenswert, andere Volkswirtschaften niederzukonkurrieren. Denn wenn ein Land einmal bankrott ist, kann es nichts mehr importieren…

Dass die theoretischen Prämissen der Freie-Markt-Ideologie einen gewissen intellektuellen Reiz ausüben hat aber noch eine Reihe von anderen Ursachen. Eine davon ist ihre demokratische Anmutung. Die Idee rational und effizient funktinierender Märkte … baut … auf die „Weisheit der vielen“… Minister, die Regeln aufstellen, oder Gewerkschafter, die Mindestlöhne fordern, sollen Ja nicht glauben, sie könnten „den Märkten“ etwas vorschreiben, denn die sind solchen Schreibtischhengsten immer überlegen…

Womöglich aber liegt der größte … Reiz der marktradikalen Doktrin in ihrer scheinbaren Amoralität. Dass sich … der Eigennützige und Egoistische als wahrhaft tugendhaft erweist, weil er den allgemeinen Nutzen befördere, verleiht ihr besonderen Glanz. Schließlich ist Unmoral cool und Moral uncool. Wenn also die Unmoral die eigentliche Moral ist, dann ist das besonders cool.


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