Besitzbürger-Ängste

Micha Brumlik entlarvt in der „taz“ (1.2.2011) die in den USA laufende Debatte um den „Schlachtruf einer chinesischen Mutter“ – ein Buch der US-Amerikanerin Amy Chua, die ihre Töchter mit unmenschlichem Drill zum Geige spielen zwang – als Beitrag, den Ängsten der besitzenden Mittelschicht vor Abstieg in die Armutszone Ausdruck zu geben. Wie auch in Deutschland, wo Bernhard Buebs „Lob der Disziplin“ das Thema besetzte geht es vor allem um die Angst der Besitzenden, dass ihre Kinder den erreichten Sozialstatus nicht halten können.

Dagegen – so diese Kampfschriften – helfe nur eine Lernkultur, die wahlweise auf protestantischem oder konfuzianischem Drill beruht. Brumlik pointiert „Symptom einer besitzbürgerlichen Angst vor der Dekadenz“ und ordnet in diese Reihe auch Guido Westerwelles Ausspruch von der „spätrömischen Dekadenz“ der Arbeitslosen, Thilo Sarrazins Vermutungen über Immigranten muslimischen Glaubens und Samuel Huntingtons Suada gegen den „Schlendrian“ südamerikanischer Einwanderer in die USA ein.

In den USA macht bereits der Spruch „Urlaub ist etwas für Schwächlinge“ die Runde und befördret die drakonische Ethik des für den Kapitalismus grundlegenden Calvinismus. Und Brumlik erinnert auch daran, dass ursprünglich die chinesische Revolution auch geschah, weil die konfuzianische Gesellschaft abgwirtschaftet hatte und die hungernden Bauern nicht satt bekam.


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