Der Publizist Matthias Greffrath hat anlässlich einer Tagung von Grundeinkommens-Befürwortern ein paar grundsätzliche Gedanken zu dieser Debatte verfasst (taz, 27.4.2011). Einige Auszüge daraus:
„…Morus wollte zwar niemanden verhungern lassen, aber andes als Wikipedia und … Autoren suggerieren, mussten auf seiner Insel Utopia alle arbeiten, wenn auch, dank Technik, nur noch sechs Stunden am Tag. Aber Arbeitszeitverkürzung, die alte Forderung von Mill und Marx und Keynes und der Gewerkschaften, ist kein Thema hier; das Dogma lautet: Vollbeschäftigung ist ein Mythos, aber die Löhne reichen auch nicht aus. Also: Kombilohn für alle.
Es mag billig sein, über ein Buch zu spotten, das mit dem ‚bedingungslosen Grundeinkommen‘ auch noch alle anderen Grundprobleme zu lösen verspricht: Geschlechterkampf, Bildungsnot, Klimaprobleme, Hunger im Süden, Ausbeutung…
…das ist wirklich ärgerlich. hier wird ein Notprogramm als Freihtsfanal in die Welt geblasen. Kein Zweifel: die Kritik an Hartz IV, an sinnlosen Disziplinierungsmaßnahmen, Behördenwillkür und bürokratischer Verschleuderung von öffentlichen Geldern ist nötig. Aber die Idee des ‚bedingungslosen‘ Grundeinkommens schillert gefährlich zwischen der Schlaraffenlandvorstellung eines ‚Rechts auf Existenz- und Teilhabesicherung ohne Zwang zur Arbeit oder andere Gegenleistung‘ und der ultraliberalen Idee, die Alimentierung der Überflüssigen ein für alle Mal auf preiswerte Dauer zu stellen.
…Vor einem Jahrzehnt haben SPD und Grüne den Unterschied zwischen Arbeitslosen und Sozialfällen grundsätzlich beseitigt und damit dem Ziel der Vollbeschäftigung den Abschied gegeben. Die Idee des … Grundeinkommens verklärt nun eine verallgemeinerte Sozialhilfe oder einen ‚Kombilohn für alle‘ (…) zum Reich der Freiheit und der Kreativität.
‚Freiheit statt Vollbeschäftigung‘ – in dieser Parole aus Ulrich Becks semantischem Schatzkästchen ist der bürgerliche Fortschrittsgedanke … endgültig defensiv geworden. Das Ethos der Arbeitsgesellschaft, in der die Kooperation aller ein gesellschaftliches ‚Wir‘ und damit die Idee der Gleichheit begründete, ist ersetzt durch ein Grundrecht auf lebenslange Stütze für alle…
…riesengroß darüber, auf der Fassade der Bundesverwaltung von Ver.di, das Transparent: ‚Würde hat ihren Wert, Arbeit hat ihren Preis. Gesetzlicher Mindestlohn.‘ – Im Artikel 24 der Landesverfassung von NRW steht…: ‚Der Lohn muss den angemessenen Lebensbedarf des Arbeitenden und seiner Familie decken.‘ Es gibt Erfindungen, die werfen uns zurück. Das gilt auch für Ideen.“
Schreibe einen Kommentar