„Der Kapitalismus der Trostlosigkeit ist ein Kapitalismus, dem der Feind abhanden gekommen ist. Nach mehr als 300 Jahren seiner Geschichte steht er plötzlich siegreich, aber auch alleine dar. In ehemals kommunistischen Ländern wie Russland oder China erlebt er eine ungeahnte Blüte und eine Arbeiterklasse, die ihm an die Gurgel will, existiert nicht mehr.
So allein auf weiter Flur und ohne das Korrektiv einer machtvollen Opposition beginnt der Kapitalismus mit andauernden und sich fortsetzenden Krisen sich selbst zu zerstören. Seine Lieblingsbeschäftigung, das permanente Verdampfen alter Verhältnisse und die permanente Revolution der Produktivkräfte, geht ungezügelt vonstatten, gleich einer Dampfwalze in Bewegung, aber ohne Fahrer. Trostlos ist dieser Kapitalismus zum einen, weil er nicht mehr wie noch in den 1960er Jahren seine Versprechungen von Wohlstand auch für das Volk wahrmachen kann. In den alten Industrieländern koppelt sich vielmehr die Produktion des Reichtums wieder ab von den Lebensbedingungen der Produzenten. Prekarität inmitten von Wohlstand ist das neue Damoklesschwert, das über den Überflüssigen des neoliberalen Zeitalters schwebt. Diese – wachsende Zahl – von „Minderleistern“ können kaum mehr auf die Billigung der „Leistungserbringer“ (Sloterdijk) hoffen.
Trostlos ist dieser Kapitalismus aber auch zum anderen, weil er wie ein Schwarzes Loch im Ideen-Universum quasi alle utopische Energie in sich aufgesogen und neutralisiert hat. Am Horizont des real existierenden Kapitalismus ist also nicht nur das Wohlstandsversprechen, sondern auch das Bild jedweder Alternative verblasst. Wenn Trost die Linderung des Leids ist, so gibt es an diesem Horizont keine Heilsversprechungen mehr. Dort wartet nur noch die Absurdität der „Riester-Rente“.
Auszug aus einem Artikel der „telepolis“
Schreibe einen Kommentar