2008 als in der „Subprime“-Krise die Banken sich plötzlich kein Geld mehr liehen, nicht mehr an ihre „Verbriefungen“ glaubten, mit hunderten Milliarden Staatsgelder „gerettet“ wurden, da schien es einen kurzen Moment so, als könnte die einsetzende Debatte über die kapitalistische Krise Wirkung entfalten. Es wurde diskutiert über Finanzmarkt-Regulierung und eine Einhegung der Macht großer Kapitalien über die Politik.
Doch dieser kurze Moment ging schnell vorüber. Aus der Krise der Banken wurde die Staatsschulden-Krise. Am Ende wurde der „Wert“ der großen Kapitalien „gerettet“, die reale (Export-)Wirtschaft mit keynesianischen Programmen „angekurbelt“ (Stichwort: Abwrackprämie), und ein klein bisschen Vorsorge für künftige Bankenkrisen betrieben (Stichwort: „europäischer Stabilitätsmechanismus,ESM“) durch ein wenig mehr Eigenkapital-Anforderung bei der Kreditvergabe. Bezahlen mussten aber am Ende nicht die Banken oder die Besitzer großer Kapitalien, Vermögens-, Einkommens- und Kapitalertragssteuern blieben auf dem niedrigstmöglichen Niveau. Bezahlen mussten die Staaten in Form härtester Austeritätsprogramme bei denen ganz nebenbei die staatliche Infrastruktur „privatisiert“ wurde – bis hin zu Krankenhäusern und dem Gesundheitssystem überhaupt, wie sich nun zeigt. Am Ende hatte die neoliberale Ideologie der Zerstörung staatlicher Regulierung und sozialen Ausgleichs sogar noch einmal an Dynamik gewonnen – was sich an Höhenflügen der Aktienmärkte öffentlich sichtbar zeigte – während versteckt und unsichtbar dahinter „Sekundärmärkte“ und Cum-Ex-Steuertricks blühten. Gleichzeitig blieb das realwirtschaftliche Wachstum beständig hinter den „Erwartungen“ der „Finanzmärkte“ zurück; hunderte Milliarden der „institutionellen Anleger“ suchten verzweifelt nach „rentierlichen“ Anlagen und befeuerten im Nullzinsumfeld beispielsweise die Immobilenblase.
Und als nach 12 Jahren die „Anleger“ auf eine „sanfte Landung“ hofften, eine kleine Konjunkturdelle, und sich insgeheim doch auf den nächsten Crash vorbereiteten, in dem Sie „Put-Optionen“ zuhauf kauften – da kam der Corona-Virus, der die Regierungen zwang, die Warenproduktion und den Verkauf auf ein Minimum herunterzufahren, um die Zahl der Infizierten zu kontrollieren und die Zahl der Toten zu minimieren. Zwar gab es neoliberale Lautsprecher, die durchaus forderten, die überflüssigen Alten sterben zu lassen, um den Kreislauf aus Produktion und Konsum am Laufen zu halten – doch das Ausmaß der Ansteckung ließ die Regierungen auf die Notbremse treten.
Und wieder gab es einen kurzen Moment der Hoffnung. Deutlich schneller als 2008 wurden die ökonomischen „Rettungsprogramme“ hochgefahren – 750 Milliarden Euro in Deutschland, 2,2 Billionen Dollar in den USA. Und dabei wurden wieder neoliberale Ideologie-Versatzstücke gekippt: die „Schuldenbremse“ in Deutschland und Europa fielen und in den USA wurde die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall eingeführt. Und ironischerweise griff der US-Präsident zu 70 Jahre alten Gesetzen der Kriegs-Planwirtschaft, um die Fehler auszubügeln, die sich in einem „Gesundheitssystem“ zeigten, das auf kapitalistische Effizienz und Kostensenkung getrimmt worden war, dem aber nun in der Krise alles fehlte: Personal, Betten, Beatmungsgeräte, Schutzmasken – alle Lieferketten waren gerissen, weil ganz am Anfang die chinesische Werkbank der Welt voll von der Virus-Krise getroffen wurde.
Doch während einige von „Helikoptergeld“ und „bedingungslosem Grundeinkommen“ träumten, sich gar einen ökosozialen „green New Deal“ zur Überwindung des Kapitalismus herbeiwünschten, gingen die Ideologen der kapitalistischen Macht-Wirtschaft zum Gegenangriff über. Sie sorgten dafür, dass in all den Hilfsprogrammen zum Erhalt des realwirtschaftlichen Kreislaufs sofort mit klargestellt wurde, dass die Kosten dieser Programme nicht von den mächtigen Besitzern großer Kapitalien oder den Kapitalsammelstellen der „institutionellen Anleger“ bezahlt werden. Besonders Deutschlands Politiker, allen voran der Finanzminister, taten sich hervor mit dem Mantra, dass es keine Eurobonds geben dürfe, und selbstverständlich die großzügig aufgenommenen, gigantischen Schuldenberge innerhalb von 20 Jahren zurückgezahlt werden müssten.
Damit war beschlossen: der weitere Zerfall der europäischen Gemeinschaft in einen finanzstarken „Norden“ und einen beschleunigter Zerstörung sozialer und industrieller Strukturen ausgelieferten „Süden“ sowie einem Billiglohn-Gebiet im „Osten“. Und beschlossen war auch, dass wiederum die arbeitende Bevölkerung und die auf soziale Hilfe angewiesenen Gruppen zahlen müssen – durch „Lohnzurückhaltung“ und die kommende weitere Zerstörung von Infrastrukturen, einschließlich des Gesundheitswesens.
Auf dem Altar der Finanzwirtschaft opfern die „demokratischen“ Politiker Menschenrechte (die Zustände im griechischen Flüchtlingscamp Moria während der Virus-Krise markieren hier den moralischen Tiefpunkt dieses Handelns) – und bereiten gleichzeitig dem weiteren Aufstieg faschistisch-autoritärer „Führer“ den Boden: Chinas kleptokratische „kommunistische Partei“ wird bewundert für ihr „Durchgreifen“; die Klein-Diktatoren in Ungarn und Polen lässt man gewähren; dem türkischen Diktator stattet man mit Bestechungsgeld und Kriegswaffen aus… Die Aufzählung muss unvollständig bleiben.
In der Corona-Krise zeigt sich, dass das 150 Jahre alte „Modell“ des mit fossiler Energie befeuerten Kapitalismus hinsichtlich der Macht- und Geldkonzentration noch nicht am Ende angekommen ist – und gleichzeitig Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat als überflüssig vorgeführt werden, da Wachstumskrisen offenbar notwendig in dystopisch-faschistisch-diktatorische Systeme samt den dazugehörigen (Bürger-)Kriegen führen. Angesichts der offensichtlichen Fehlentscheidungen „demokratischer“ Politik darf und muss man alle Hoffnung fahren lassen, dass „das Richtige“ getan wird.
Denn dieses „Richtige“ wäre angesichts der umfassenden inneren und äußeren Krise des Kapitalismus – angesichts einer zunehmenden Zahl „überflüssiger“ Menschen auf diesem Planeten, die vom kapitalistischen Wachstums- und Wohlstandsversprechen ausgenommen sind, und angesichts der sich in der Klimaerwärmung zeigenden Zerstörung der ökologischen Lebensgrundlagen der Menschheit – wäre es ja, Wege zur Überwindung dieser in jeder Hinsicht zerstörerischen Wirtschaftsform zu suchen. Und der notwendige erste Schritt wäre eine Verlangsamung der Krisendynamik durch harte Regulierung von Finanzmärkten, Produktion und Konsum samt effektiver Besteuerung der Besitzer großer Kapitalvermögen und auch Besteuerung der irrsinnig überhöhten Einkommen der kapitalistischen Manager – samt Umverteilung dieser Gelder in soziale Systeme und ökologische Nachhaltigkeit. Das aber wird 2021 genausowenig kommen wie 2009. Die Menschen dieser Welt leben in einer Live-Dystopie, in der die gesundheitliche Bedrohung durch das Corona-Virus das geringste Problem ist.
Schreibe einen Kommentar