XXL-Risiko Regierung

Der ver.di-Wirtschaftsexperte Dierk Hirschel hat in der „taz“ (24.9.2010) das Aufschwung-Sommermärchen auseinandergenommen und die schwarz-gelbe Regierungspolitik als XXL-Risiko für weiteres Wirtschaftswachstum identifiziert:

Das vermeintliche Sommermärchen ist schnell erzählt: Dank der weltweiten staatlichen Konjunkturhilfen sind Waren „Made in Germany“ wieder gefragt. Ein schwacher Euro und niedrige Lohnstückkosten sorgen für kleine Preise. Um ganze 10 Prozent sollen die deutschen Ausfuhren dieses Jahre steigen. Das Ausland – in erster Linie Asien – hilft der heimischen Wirtschaft auf die Beine… Von einem selbsttragenden Aufschwung kann also nicht die Rede sein.
Zudem ist die schwarz-gelbe Regierungspolitik ein XXL-Risiko für die wirtschaftliche Erholung. Seitdem Billiglöhne und prekäre Beschäftigung wachsen, führen mehr Jobs nicht mehr automatisch zu höheren Löhnen. Im letzten Aufschwung – 2005 bis 2007 – entstanden mehr als eine Million neue Jobs. Dennoch fiel die preisbereinigte Lohn- und Gehaltssumme um 1,5 Prozent…
Doch damit nicht genug. Der oberste Kassenwart der Republik tritt gerade voll auf die Ausgabenbremse… kostet Wolfgang Schäubles 80 Milliarden Euro schweres Sparpaket bis zu einem Prozent Wachstum…Die geplanten Kürzungen reißen ein Loch in die Kassen der Unternehmen und Privathaushalte. Schließlich sind die Ausgaben des Staates immer auch die Einnahmen der anderen. Handwerk und Bauwirtschaft erhalten weniger öffentliche Aufträge. Beschäftigte, Arbeitslose und Bedürftige kaufen weniger…
Die Kanzlerin stört das wenig. Angela Merkehl hat inzwischen Griechen, Spanier und Portugiesen zu schwäbischen Hausfrauen umerzogen… Und zukünftig sollen die EU-Schatzmeister mithilfe eines geänderten Stabilitäts- und Wachstumspaktes noch enger gefesselt werden. Damit droht die deutsche Schuldenbremse zum Exportschlager zu werden. Mit fatalen Folgen: Am Mittelmeer ist die Wirtschaft bereits eingebrochen. Griechenland und Spanien stecken in der Rezession…
Über drei Fünftel der deutschen Ausfuhren gehen aber nach Europa, allein 100 Milliarden Euro nach Südeuropa. Klamme Nachbarn werden schon bald keine deutschen Autos und Maschinen mehr kaufen können..
Mittelfrist sollten große Einkommen und Vermögen höher besteuert werden… Die verteilungspolitischen Nebenwirkungen sind ausdrücklich erwünscht: Schulden stehen immer Vermögen gegenüber. Das private Nettovermögen ist fast fünfmal so groß wie die gesamte Staatsverschuldung. Und die Gläubiger unserer Republik leben nicht im Ausland. Die Eigentümer deutscher Staatsanleihen sitzen in den Frankfurter und Münchner Glaspalästen, am Starnberger See, in Hamburg-Blankenese oder in Berlin-Dahlem. Die Profiteure der Krise müssen nun dazu verpflichtet werden, einen Teil der Krisenlasten zu schultern…


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