Wenn es um Steuersenkungen für Spitzenverdiener und Besitzer großer Kapitalien/Vermögen geht, dann haben die Lobbyisten der Reichen (Unternehmerverbände etc.) und die von diesen abhängigen Politiker immer das schöne Bild vom angeblich durch Einkommenssteuerzahlungen (die in Form von Lohnsteuer direkt im Betrieb einbehalten werden) gebeutelten Durchschnittsverdiener. Dankenswerterweise hat Ulirke Herrmann in einem taz-Kommentar jetzt diese „Lüge vom Fachbarbeiter“ mit ein paar nüchternen Zahlen entlarvt.
Wer heute als Alleinverdiener mehr als 50.000 Euro jährlich Gehalt bekommt – oder als Ehepaar mehr als 100.000 Euro, der gehört in Deutschland nicht zu den „Facharbeitern“, sondern zu den „Besserverdienenden“, die im übrigen nur etwa 5% der Lohnempfänger ausmachen. Der Blick auf den Durchschnittslohn aller rentenversicherungspflichtig Beschäftigten (ca. 3300 Euro monatlich) oder, die Tabellen der Tarifvertrags-Löhne zeigt, dass Löhne/Gehälter oberhalb von 4000 Euro monatlich den „Führungskräften“ vorbehalten sind, dass „Facharbeiter“ und andere qualifizierte Angestellte sich normalerweise in einem Gehaltsband von 2500 bis 4000 Euro monatlich bewegen und damit weit unterhalb des Betrages von dem an für jeden zusätzlich anfallenden Euro 42 Cent Steuer fällig werden. Hier empfiehlt sich auch immer ein Blick auf die tatsächliche Steuerbelastung (unter anderem in den Berechnungen der Finanzamts-Software „Elster“ ausgewiesen) – sie liegt selbst bei Topverdienern mit 80.000 Euro Jahreseinkommen nur bei rund 30%.
Steuersenkungen wirken in der Einkommensgruppe derer, die den Spitzensteuersatz zahlen besonders kräftig (wer also mehr als 4579 Euro monatlich als Alleinverdiener ohne Familie oder Kinder verdient – in einer Ehe ohne Kinder also über 9000 Euro monatlich). Allein die dieses Jahr erfolgte Anhebung des Grundfreibetrages bei der Steuer um 180 Euro bringt dem Top-Verdiener ein zusätzliches „Netto“ von über 75 Euro. Der Facharbeiter mit einem Grenzsteuersatz von 30% (also derjenige, der mitten in der berühmt-berüchtigten „Progression“ steckt) profitiert dagegen nur mit 54 Euro. Übrigens: Der Grundfreibetrag besagt, dass eine Teilzeit-Kasserierin im Supermarkt, die als alleinerziehende Mutter nicht gänzlich von „aufstockenden Sozialleistungen“ (Hartz IV für Arbeitende) abhängig sein will und das Familieneinkommen mit ihrer Arbeit um 200 Euro monatlich erhöhen will, kann 750 Euro brutto monatlich verdienen, ohne dass Lohnsteuer fällig wird.
Die ganze schräge Debatte um „Facharbeiter“ und „Progressionsbauch“ ist nichts als eine Märchenstunde für die Mittelschicht, die sich davon aber immer wieder einlullen lässt und den Politikern und Lobbyisten zujubelt, die dieses Märchen erzählen.
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